Zemlinskys Seejungfrau am Münchner Gärtnerplatztheater

Wasserfarben und Farben der Leidenschaft

Chefdirigent Anthony Bramall verabschiedet sich vom Münchner Gärtnerplatztheater mit einer beeindruckenden Aufführung von Alexander Zemlinskys Fantasie in drei Sätzen für großes Orchester „Die Seejungfrau“ nach Andersen

Von Robert Jungwirth

(München, 8. Juli 2023) Was für ein schönes Abschiedsgeschenk, das der Chefdirigent des Münchner Gärtnerplatztheaters Anthony Bramall uns und sich mit dieser Aufführung von Alexander Zemlinskys Orchesterfantasie „Die Seejungfrau“ gemacht hat. Zemlinsky ist ja leider noch immer ein etwas unterschätzter Komponist hierzulande, dessen Tonsprache jedoch wegweisend um die Jahrhundertwende war. Er verknüpfte den französischen Impressionismus mit der deutschen Spätromantik und wies so einen Weg aus der übermächtigen Wagner-Tradition. Anreger wurde er für viele, für Schönberg, Korngold, Schreker, aber auch Richard Strauss dürfte seine Musik gekannt und geschätzt haben. Das jedenfalls vermutet man, wenn man Zemlinskys Tondichtung „Die Seejungfrau“ hört, in der es mitunter sogar ein wenig nach „Rosenkavalier“ klingt. Eine ungemein charmante, farbig-impressionistische, aber auch leidenschaftliche und dramatisch aufrauschende Musik ist diese Fantasie, die Zemlinsky 1902/03 nach Hans Christian Andersens traurigem Märchen komponierte und dabei seine unglückliche Liebe zu Alma Schindler (spätere Alma Mahler) musikalisch verarbeitete.

Das Gärtnerplatztheater und Anthony Bramall boten die Komposition mit Auszügen aus dem originalen Andersen-Märchen, die Julia Stemberger ebenso charmant und emotional las. Bramall entlockte dem Orchester des Gärtnerplatztheaters einen ganzen Kosmos an schillernden Klangfarben, aber auch intensiv-sehnsüchtigen Kantilenen, die Zemlinsky in dieser ungemein vielgestaltigen und spannenden Partitur ineinander verwoben hat. Was für ein wunderbares Stück! Die Kleinteiligkeit der Motive, die sich aber dennoch einprägen, die Bildhaftigkeit der Musik – all das ist zu keinem Moment nur vordergründig illustrativ, sondern eigenständiges musikalisches Erzählen, Fantasieren – ähnlich wie in Strauss‘ Tondichtungen, die wiederum für Zemlinsky anregend gewesen sein dürften. Nur ist Zemlinskys Klangsprache eben eine andere, farbigere. Bramall motivierte seine Musiker zu großartigen Leistungen mit zahlreichen solistischen Passagen in der Solo-Violine, dem Solo-Cello, der Oboe und dem Englischhorn und dem Horn. Eine großartige Aufführung und ein würdiger und heftig beklatschter Abschied für den Engländer Anthony Bramall von München.

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