Die Münchner Philharmoniker laufen Gefahr ihren Ruf zu verspielen

Die Münchner Philharmoniker laufen Gefahr ihren Ruf zu verspielen

Die Münchner Philharmoniker verzwergen unter Thomas Guggeis Wagner, Strauss und Bartok – Asmik Grigorian beeindruckt trotzdem

Von Robert Jungwirth

(München, 26. April 2023) Es gehört schon eine gehörige Portion Chuzpe dazu, als relativ junger Dirigent (29) mit überschaubarer Erfahrung bei einem Orchester wie den Münchner Philharmonikern ein Programm zu dirigieren, das aus drei der gewichtigsten Werke des 19. und 20. Jahrhunderts besteht: Vorspiel und „Liebestod“ aus Wagners „Tristan“, die „Vier letzten Lieder“ von Strauss und Bartoks Konzert für Orchester. Gipfelwerke der Orchesterliteratur, vor denen man als junger Dirigent vielleicht erstmal so etwas wie respektvolle Distanz bewahrt. Nicht so Thomas Guggeis, der aus Straubing stammt, in München und Mailand studiert hat, bei Barenboim assistierte (wie so viele) und zwei Jahre Kapellmeister an der Stuttgarter Oper war. Im Herbst wird er GMD an der Oper Frankfurt. Ein erstaunliche Karriere fürwahr – und jemand ohne falsche Bescheidenheit.

Es hätte ja auch ein spannender Abend werden können, nach dem Motto, wer wagt gewinnt. Wurde es aber nicht. Guggeis schaffte es in keinem der drei Werke Tiefgang und Spannung zu erzeugen. Das Tristan-Vorspiel plätscherte dahin mit viel zu langen pseudobedeutungsvollen Generalpausen zu Beginn, die späten Strauss-Lieder klangen als wären sie von Loewe und Bartoks grandioser Abgesang verpuffte ohne große Wirkung zu entfalten. Von den Dramen, ja Abgründen in diesen Musiken vermochte Guggeis mit schlacksiger Gestik keinen Eindruck zu vermitteln. Das war mehr als schade, es war einfach ungenügend am Pult eines solchen Orchesters in einer Stadt mit dieser Wagner- und Strauss-Tradition. „Tristan und Isolde“ wurde hier uraufgeführt, viele der weltbesten Dirigenten haben das Werk in den zurückliegenden 100 Jahren hier zum Klingen gebracht, Strauss ist in München geboren usw. usf.

Man kann sich nur wundern, was gerade bei den einst so strahlenden Münchner Philharmonikern abläuft. Immer wieder werden DirigentInnen eingeladen, die dem Anspruch dieses Orchesters und seiner Bedeutung nicht gerecht werden, die hinter den Erwartungen, die man als Zuhörer haben darf und soll, zurück bleiben. Stattdessen setzt Intendant Paul Müller offenbar mehr und mehr auf Events. Das scheint bei den verantwortlichen Politikern in dieser sich dem Hedonismus ergebenden Stadt gut anzukommen, Politiker, die von Musik keine, dafür von Publicity umso mehr Ahnung haben.

Schon Müllers Coup Gergiev als Chef zu holen, war eine Fehlentscheidung – und das nicht deshalb, weil Gergiev ein Putin-Freund ist. Und nun wird Lahav Shani Chefdirigent – jemand, der erst noch dabei ist, sich ein Profil zu erarbeiten. Erstaunlich, dass das Orchester das alles so willfährig mitträgt, denn es läuft hörbar Gefahr, seinen hervorrangenden Ruf und Rang als auch international herausragender Klangkörper mit einer exzellenten Klangkultur und einer überreichen Tradition zu verspielen.

Und die Solistin des Abends? Die als Salzburger Salome geradezu legendär gewordene Asmik Grigorian beeindruckte auch im „Tristan“ mit ihrer klaren, frischen und burschikosen Stimme und ihren enormen Kraftreserven, die ihr scheinbar mühelos zur Verfügung stehen. Für die verschatteten „Letzten Lieder“ von Strauss aber war sie ebenfalls nicht wirklich die geeignetste Besetzung, weil hier weniger kraftvolle Frische als vielmehr klangsatte Wehmut gefragt sind. Und vom Text war bei ihr leider so gut nichts zu verstehen…Dennoch war sie der Lichtblick des Abends. Man darf gespannt sein auf ihre Bühnen-Isolde.

Werbung

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert