Leipzig bringt Thea Musgraves beeindruckende Oper Mary Queen of Scots heraus

Mary allein zu Haus

Der Oper Leipzig gelingt mit Thea Musgraves „Mary, Queen of Scots“ in der Inszenierung von Ilaria Lanzino ein überzeugender Jahresabschluss

Von Joachim Lange

(Leipzig, im Dezember 2023) Das Leben der historischen Maria Stuart (1542-1587) war extrem aufregend, abwechslungsreich, mit einem tragischen Ende auf dem Richtblock. Ihr Nachleben in der Literatur und auf den Bühnen ist es nicht minder. Friedrich Schiller und Gaetano Donizetti sind nur zwei der prominentesten Nachverwerter.

Hierzulande bislang wenig bekannt, dürfte man jetzt auch die hochbetagt in New York lebende US-amerikanische Komponistin mit schottischen Wurzeln Thea Musgrave (*1928) hier einreihen. Ihre Oper „Mary, Queen of Scots“, die 1977 in Edinburgh uraufgeführt wurde, ist jetzt in der Inszenierung von Ilaria Lanzino in Leipzig zu bestaunen. Matthias Foremny sorgt mit einem relativ klein besetzten, aber schlag(werk-)kräftigen Gewandhausorchester im Graben dafür, dass Mosgraves vorwiegend tonale Musik zur Geltung kommt. Sie ist dramatisch aufgeladene, erinnert an Britten, bedient sich aber auch eklektizistisch an viel Zeitgeistimaginierendem. Auch das dominierende Parlando sorgt dafür, dass die Eskalation der Gefühle klar zur Geltung kommt.

Musgraves am Schauspiel „Moray“ von Amalia Elguera orientiertes, selbstverfaßtes Libretto umfasst die Zeit von Marias Heimkehr als junge Witwe 1561 aus Frankreich auf ihren Thron in Schottland bis zu ihrer erzwungenen Abdankung und Flucht ins englische Exil sechs Jahr später. In den allgemein bekannten Teil ihrer Biografie unter die verhängnisvolle Obhut ihrer Cousine Elisabeth I. Hier ist es so, dass dem Bühnen Alter ego zwar die Gefangenschaft und der Richtblock erspart bleiben, sie dafür aber einem aufgeputschten (in der Inszenierung allemal über den Zuschauerraum auf die Bühne vordringenden) Mob zum Opfer fällt. Sie wird auf ihrem Thron kurzerhand verbrannt. Stimmt zwar nicht, passt aber zum Furor, mit dem diese Maria ihrem Machtinstinkt folgt und ihn mit Vehemenz gegen die Männer in ihrer Umgebung durchzusetzen versucht.

Wie die grandiose Nicole Chevalier sich dabei verausgabt und den familiären Zwist mit Halbbruder James in einen Kampf der Frau gegen die Männerwelt eskalieren lässt, ist nicht nur vokale Spitzenklasse, sondern ein darstellerisches Kabinettstück. Dabei kann sie sich auch optisch mit ihrer Präsenz gegen die gleichmachende zombiehafte Hässlichkeit der Kostüme von Annette Braun behaupten. Davon heben sich nur ihr windiger Ehemann Lord Darnley (Rupert Charlesworth) und ihr von dem auf offener Szene ermordeter Vertrauter David Riccio (Sejong Chang) ab.

Dass es ihren Gegnern gelingt, auch Darnley ermorden zu lassen und der Königin eine Mitschuld zuzuschieben, beschleunigt das Ende ihrer Herrschaft. Ihr machtgieriger Halbbruder James (in der zweiten Vorstellung krankheitsbedingt gespielt von Schauspieler Michael Pempelforth, gesungen von Jonathan Michie), und der ambitionierte (und sie vergewaltigende!) Earl of Bothwell (auch er gespielt von der Regisseurin selbst und gesungen von Eberhard Francesco Lorenz) sind die Prototypen für all die anderen um die Macht kämpfenden Männer.

Die dunkle Bühne von Dirk Becker (ob nun, wie stolz verkündet, klimaneutral hergestellt oder nicht) funktioniert. Als eine bekletterbare Landschaft aus Tischen, Stühlen samt Thronsessel (und Klobecken als Rückzugsort auf der Rückseite) in der Höhe und üppigem Ornat für die Königin. Wenn dann der Kinderwagen lichterloh brennt und der schottische Nebel einen Hauch surrealer Macbeth-Atmosphäre verströmt, ist der optischen Rahmen für diesen historischen Thriller gesetzt, bei dem schnell die Fetzen fliegen, wenn die durchweg machtversessene Bagage aufeinander losgeht. Mit zwei Pause dauert der Abend zwar etwas über drei Stunden – aber er lohnt in jeder Hinsicht!

Weitere Vorstellungen: am 12.01.2024, am 28.01.24 und am 11.02.2024 www.oper.leipzig.de

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