Arnold Schönberg & Karl Kraus werden 150 – eine Ausstellung in Wien

,

Sprache ist auch Musik

Eine Ausstellung im Wiener Arnold Schönberg Center widmet sich der Beziehung zwischen den beiden Jubilaren Arnold Schönberg und Karl Kraus, die vor 150 Jahren in Wien geboren wurden

Von Robert Jungwirth

(Wien, 20. Januar 2024) „Jemandes Stil zu verwenden, heißt sich zu ihm zu bekennen, sich geradezu seinen Schüler nennen. Ich habe durch Karl Kraus Schreiben, ja fast Denken gelernt.“ Das Bekenntnis von Arnold Schönberg mag erstaunen. Es offenbart jedoch die Bedeutung, die der Sprachkünstler Karl Kraus für den Erneuerer der Musik des frühen 20. Jahrhunderts hatte. Beide wurden sie 1874 in Wien geboren, wo sie die Aufbruchstimmung in der Kultur ausgehend von der Wiener Sezession hautnah miterlebt und mitprägt haben.

Rund 30 Jahre währte die Künstlerfreundschaft zwischen beiden, die für Schönberg zweifellos bedeutender war als für Kraus. Was vor allem daran lag, dass Kraus sich selbst als unmusikalisch bezeichnet hat und Schönbergs Versuche, den Schriftsteller zu einem Konzertbesuch zu bewegen, stets erfolglos blieben.
Die berühmten Rezitationsabende von Karl Kraus, bei denen er Texte aus seiner Zeitschrift „Die Fackel“ vortrug – oder soll man besser sagen vorsang – waren neben der Klarheit und Prononciertheit der Sprache für Schönberg auch in musikalischer Hinsicht inspirierend.

Karl Kraus, Wien 1908 Foto: Atelier d’Ora, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Arnold Schönberg, Wien 1907 Foto: Schönberg Center

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Therese Muxeneder, die Kuratorin der Wiener Ausstellung über die beiden Jubilare Schönberg und Kraus:
„Schönberg war ein begeisterter Besucher der Vorlesungen von Karl Kraus. Legendär waren die Modulationsfähigkeit, die unglaubliche Schattierungsvielfalt der Stimme von Karl Kraus. Schönberg ließ sich davon auch inspirieren bei der Gestaltung der Sprechstimme und Sprechtonästhetik seines Melodramen Zyklus „Pierrot lunaire“ für Ensemble und Stimme. Ein Werk, dass für die Zeitgenossen völlig unverständlich war, und das für manche auch heute noch ist. Allerdings ist das Nachhören der Stimme von Karl Kraus, die für in ein paar Aufnahmen dokumentiert ist, ungemein erhellend, wenn man Schönbergs Musik Pierrot hört, weil man eine Ahnung von dieser unglaublichen Emphase bekommt, mit der gesprochen wird.“

Karl Kraus unterstützte den Neuerer der Musik Arnold Schönberg publizistisch etwa durch den Abdruck eines seiner Lieder nach Texten von Stefan George in der „Fackel“. Oder er veröffentlichte Schönbergs Abrechnung mit einem missliebigen Kritiker, der Schönberg übel verrissen und beschimpft hatte. Schönberg forderte den Kritiker zu einem Duell in einer kompositorischen Disziplin seiner Wahl auf.

Auch schrieb Schönberg Aphorismen nach Kraus’schem Vorbild, die Kraus dagegen für einen Abdruck mit folgender Begründung ablehnte: „Aphorismen dürfen keine Rubrik der ‚Fackel‘ sein, sondern nur eine Nothdurft. Ich hoffe, Ihnen das bald mündlich auseinandersetzen zu können…“

115 Exponate – Musik- und Textmanuskripte, Briefe, Fotografien und Hörstationen mit Musik- und Wortbeispielen von Schönberg und Kraus lassen den Besucher der Wiener Ausstellung eintauchen in eine Zeit der künstlerisch-intellektuellen Aufbruchstimmung. Und sie zeigen auch die Vernetzung der beiden mit den unterschiedlichsten Künstlern ihrer Zeit. Für Schönberg wie für Kraus war das Wiener Caféhaus ein künstlerisches Biotop, in dem das Networking am besten zu praktizieren war. So ist die Wiener Ausstellung eine faszinierende Zusammenschau dieser beiden in ihrer künstlerischen Konsequenz und Vehemenz so verwandten Geister.

Die Ausstellung ist bis zum 10. Mai zu sehen.

Begleitend zur Ausstellung ist ein inhaltlich wie optisch sehr gelungenes und lesenswertes Buch über Schönberg und Kraus erschienen, das die Kuratorin Therese Muxeneder verfasst hat und das erstmals den Briefwechsel der beiden Künstler dokumentiert.

Werbung

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert