Das OneMusic Orchestra

Ein neues Orchester für neue Musik

Der israelisch-amerikanische Dirigent Yoel Gamzou hat ein Orchester gegründet, das seine Konzertprogramme nach zwei Prinzipien gestaltet: Einerseits sollen mindestens 50 Prozent der gespielten Stücke Neukompositionen sein. Andererseits sind diese Uraufführungen von Komponist:innen geschaffen, die aus unterschiedlichen musikalischen Hintergründen wie etwa Pop, Film-, Folk- oder Elektronischer Musik kommen und so „das gesamte Spektrum der Einflüsse unserer Zeit in ihre Musik einfließen lassen“. So möchten sich Gamzou und seine Musiker:innen für eine „lebendige Zukunft der klassischen Musik“ einsetzen. oneMusic startet am 15. und 16. September 2023 mit einer Residenz beim Beethovenfest in Bonn. 
Im Interview mit KlassikInfo erklärt Gamzou seine Motivation.

Herr Gamzou, wie kam es zur Gründung des OneMusic Orchestra?

Für mich gibt es In der klassischen Musik seit den letzten 100 Jahren ein Problem: Das zeitgenössische Element der Kunstform hat das Interesse des Publikums verloren, weil es den Komponisten – mit wenigen Ausnahmen – selten gelungen ist, eine gemeinsame Wellenlänge mit ihrem Publikum zu schaffen und ganz direkt sinnlich und emotional zu berühren. Diesem Zustand möchte ich mit oneMusic entgegenwirken – gemeinsam mit meinen Mitstreiter:innen habe ich mir ein großes Ziel gesetzt, nämlich nichts weniger als die Klassikszene neu zu denken und eine Zukunft zu schaffen, in der klassische Musik ein wachsendes, lebendiges und nachhaltiges Publikum hat … das wollen wir erreichen, indem wir neue Musik aufführen, die gleichzeitig tiefsinnig und zugänglich, sinnlich und fordernd ist. Musik, die begeistert, die berührt, die man vielleicht sogar auf der Straße nachpfeifen kann!

Wie wurden die Musikerinnen dafür ausgewählt?

In den letzten Jahren habe ich viele wunderbare Musiker kenenngelernt, auf der ganzen Welt. Ob in den Orchestern und Opernhäuser wo ich regelmäßig arbeite, oder in Festivals und anderen Kontexten. Man spürt sofort, wenn man mit einem anderen Musiker eine gemeinsame Wellenlänge hat. Die Musiker kommen aus manchen der besten Orchester der Welt, viele sind aber auch Kammermusiker und Solisten und spielen sonst nie im Orchester. Zwei Dinge haben sie alle gemeinsam – sie spielen auf ein extrem hohes Niveau und haben eine gemeinsame Sehnsucht nach Entdeckung und nach Veränderung. Ich sage immer, diese Gruppe ist ein bisschen wie ein „Home for all misfits“ – Menschen die oft mit ihrer Individualität in einer Masse, im Mainstream nicht zufrieden sind oder zumindest nicht vollständig zufrieden. Dass sie mir ihr Vertrauen schenken, ist das größte Geschenk überhaupt.

Wie finanziert sich das Orchester und wo ist es angesiedelt?

oneMusic firmiert als internationales Orchester in London. Unsere wichtigsten Partner für den Launch sind das Beethovenfest in Bonn, sowie die Firma Partec und das Ehepaar Julia und Bernhard Frohwitter, denen wir ganz besonderen Dank für ihre großzügige Unterstützung aussprechen wollen.

Wie werden Sie Veranstalter für Ihre Idee 50% Uraufführungen begeistern?

Das Beethovenfest unter der Leitung von Steven Walter war von der Idee sofort begeistert und wir sind sehr dankbar, dass sie und „Starthilfe“ geben. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Konzept auch weiterhin auf Interesse stoßen werden und das oneMusic Orchestra eine spannende Zukunft vor sich hat.

Vor allem sind ja die Veranstalter dafür verantwortlich, dass so wenig zeitgenössische Musik gespielt wird und immer mehr Mainstream…

Da liegt eben genau der Fehler im System: die zeitgenössische Musik der letzten Jahrzehnte ist für ein Veranstalter ein sehr großes Risiko, weil ein Großteil des Publikums davon abgeschreckt ist und dadurch gar nicht ins Konzert möchte. Ich muss aber sagen, das kann ich gut verstehen!! Die meisten zeitgenössische Werke, die ich kenne, würde ich als Musiker nicht spielen wollen. Wie kann ich erwarten, dass mein Publikum sie hören möchte? Wir versuchen hier wirklich eine ganz neue, andere Art von neuer Musik auf die Welt zu bringen und eine Gruppe von Komponisten aufbauen, die ihre Zuhörer berühren können. Die Komponist:innen von oneMusic kommen von ganz unterschiedlichen musikalischen Hintergründen wie etwa Pop, Film-, Rock’n‘ Roll, Folk- oder Elektronischer Musik – und bilden somit das gesamte Spektrum der Einflüsse unserer Zeit ab.

Wer wählt die Komponisten aus und welche Kriterien gibt es?

oneMusic bemüht sich aktiv um die Entdeckung von Komponist:innen, die von der traditionellen Klassikindustrie und den Scouting-Kanälen übersehen werden. Social Media spielt in diesem Findungsprozess eine große Rolle: Nach meinem im November 2022 gestarteten Facebook-Aufruf wurden 350 Komponist:innen nominiert, von denen vier für die Auftragskompositionen für das Launch-Konzert beim Beethovenfest 2023 ausgewählt wurden. Entscheidend bei der Auswahl war nicht ‚Effekt‘, ‚Zugänglichkeit‘ oder ‚Niederschwelligkeit‘. Viel wichtiger war es uns, Künstler zu finden, die zwar heutige musikalische Sprachen benutzen, gleichzeitig aber auch Tiefgang, künstlerische Integrität und Qualität mitbringen.

Werden Aufträge für Stücke vergeben? Und wer finanziert sie?

Für unsere beiden Launch-Konzerte wurden insgesamt sechs Kompositionsaufträge vergeben, die Gagen sind Teil unseres Budgets, da diese Uraufführungen die wichtigste Säule von oneMusic darstellen.

Das Konzert am 15.9. wird auch per kostenlosen Live-Stream übertragen auf beethovenfest.de/streams

https://www.beethovenfest.de/de/magazin/beethoven-5-mit-onemusic-elisha-abas-und-yoel-gamzou/121

 

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