Orffs Prometheus beim Festival Junger Künstler Bayreuth – als Filmdokument

Wistleblower Prometheus

Das Münchner Orff-Zentrum zeigt die Filmversion der beeindruckenden „Prometheus“-Aufführung von Orff durch das Festival Junger Künstler Bayreuth im Sommer 2021 nebst eines weiteren spannenden Prometheus-Musiktheaters von Fredrik Schwenk

Von Robert Jungwirth

(München, 20. Dezember 2023) Einen „antiken Outlaw und Whistleblower“ nennt Regisseurin Michaela Dicu den antiken Helden Prometheus, der bekanntermaßen den Menschen das Feuer brachte und dafür von den Göttern, insbesondere von Zeus, drastisch abgestraft wurde. 3000 Jahre wurde er an einen Felsen angekettet. Und so beginnt Carl Orffs Musiktheaterversion von Aischylos‘ Prometheus-Drama denn auch mit der Klage und Anklage des Prometheus an seine Bestrafer.

Michaela Dicu, die das selten gespielte Werk, für das Festival Junger Künstler Bayreuth im Sommer 2021 trotz vieler coronabedingter Schwierigkeiten auf die Bühne brachte, hat für ihre geraffte Version eine ebenso einfache wie wirkungsvolle szenische Umsetzung gefunden. Prometheus (Georgios Iatrou) ist auf einem meterhohen Gerüst gefangen, abseits der Menschen, aber auch erhöht, quasi zwischen den Menschen und den Göttern. Mit einer ausgefeilten Lichtregie (Michael Kantrowitsch) wird er auch lichttechnisch überaus wirkungsvoll in Szene gesetzt, werden sein Zorn, seine Auflehnung, seine Resignation auch optisch unterstützt. Eine zwischen Gesang und Rezitation (beides auf Alt-Griechisch) pendelnde, ungemein schwer zu singende Partie, die vor allem von vielfältigem Schlagwerk begleitet wird.

Für Michaela Dicu ist dieser Prometheus ein antiker Vorläufer von Edward Snowden oder – trotz seiner schillernden Uneindeutigkeit – Alexej Nawalny. Menschen, die gegen die herrschende Meinung und gegen die Beschränkung, die eigene Meinung sagen zu können, rebelliert haben. Unter Einsatz ihres Lebens.

Das Orff-Zentrum München hat diese beachtliche Aufführung, die durch einen uraufgeführten Prometheus-Einakter von Fredrik Schwenk ergänzt wurde, unter der umsichtigen musikalischen Leitung von Robin Engelen mit den Musikerinnen und Musikern des Festivals Junger Künstler abgefilmt und jetzt das Ergebnis im Rahmen einer Gesprächsrunde mit Mitwirkenden öffentlich vorgestellt.

Und man darf sagen, dass auch diese Filmversion vor allem durch die überragenden gesanglichen und darstellerischen Leistungen von Georgios Iatrou und Caroline Adler von faszinierender Eindringlichkeit ist. Das gilt im übrigen auch für Fredrik Schwenks faszinierende musikdramatische Adaption des Prometheus-Dramas des englischen Schriftstellers Percy Bysshe Shelley (der Ehemann der „Frankenstein“-Autorin). In dieser Prometheus-Version mit dem Titel „Prometheus Unbound“ kommt es letztlich zur Versöhnung zwischen Himmel und Erde, d.h. zwischen Prometheus und dem Göttervater Zeus.

Schwenks Partitur greift den Orffschen Tonfall mitunter als Referenz auf, ohne ihn aber allzu deutlich werden zu lassen. Dazu gibt es Anspielungen an frühe Musiken, die von Schwenk zeitgenössisch „übermalt“ werden. Das ist ebenso subtil wie sinnlich-suggestiv gemacht. Prometheus singt hier mehr arios als bei Orff, was sich aus der weniger konfrontativen Gangart des Dramas ergibt. Eine überaus interessante und das Orff-Stück um eine korrespondierende Variante ergänzende Version. Man wünschte sich weitere Aufführungen dieses  Zweigespanns…

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