Die Salzburger Festspiele 2024

Die Salzburger Festspiele haben ihr Programm für den Sommer 2024 veröffentlicht. Es gibt 172 Aufführungen in 44 Tagen an 15 Spielstätten, sowie 33 Vorstellungen im Jugendprogramm „jung & jede*r“.

Hier die Premieren von Oper und Schauspiel:

Oper
LES CONTES D´HOFFMANN
DER SPIELER
DER IDIOT
DON GIOVANNI
LA CLEMENZA DI TITO
HAMLET (konzertant)
CAPRICCIO (konzertant)
IL PRIGIONIERO / IL CANTO SOSPESO (konzertant)
KOMA (konzertant)
BEGEHREN (konzertant)

Schauspiel
JEDERMANN
STERNSTUNDEN DER MENSCHHEIT
DIE ORESTIE
SPIEGELNEURONEN
KI & KUNST · EINE PERFORMATIVE DISKUSSION MIT EINER KI NAMENS MORPHEUS
VERGESSENE STÜCKE
DER ZAUBERBERG
EVERYTHING THAT HAPPENED AND WOULD HAPPEN
EIN MITTSOMMERNACHTSTRAUM
LESUNGEN

„Bewegungen zwischen Himmel und Hölle zeichnen die Werke des Festspielsommers 2024 nach; sie erzählen von der elementaren Schönheit des Maßlosen ebenso wie von den darin verborgenen „dämonischen“ Abgründen, von grenzenloser Einsamkeit – und der schwindelerregenden gottlosen Freiheit.

Es sind Lebensbahnen immer gültiger Archetypen, denen wir begierig und widerstrebend zugleich folgen. Der zerstörerische Narzisst Don Giovanni, die unerbittliche Rächerin Vitelia, der verblendete Verräter Sesto, der tugendhaft milde Tito, der fiebrige Spieler, der romantische Künstler Hoffmann, die zweifelhafte Femme fragile, Vater- und Muttermörder, ein geheimnisvoller Idiot, eine gefühlvolle Sängerin, eine reiche Großmutter und ein „schiefer, seelenkranker Mann“, wankelmütige Schwärmerinnen, unglücklich Begehrende – und viele andere mehr begegnen uns im Festspielprogramm 2024. Jede, jeder einzelne von ihnen durchmisst ebendiesen Weg zwischen Himmel und Hölle. Ihre Geschichten erzählen von den tiefsten Sehnsüchten, von der Fragilität des Lebens, vom Scheitern am Übermaß und an der Gier, von quälender Selbstzerstörung, der Hölle der Leidenschaften – aber auch von der hoffnungsvollen Erwartung des Kommenden. Den Nachtstücken und Charakterstudien, die wir Ihnen präsentieren, liegen Werke „großer Grenzüberschreiter der Literatur“ (Stefan Zweig) zugrunde: von den alten Mythen über jene der Neuzeit bis herauf zu den großen Romanen der klassischen Moderne reichen die literarischen Vorlagen; von den frühesten griechischen Tragödien zu den Dichtungen über Don Quijote und Don Juan, von den imaginierten Phantasmen eines E. T. A. Hoffmann zu den überreizten Romanen Dostojewskis, dem Stefan Zweig „die Kraft eines Mikroskops und die Leuchtstärke des Hellsehers“ attestierte; von Thomas Manns Beschreibung vom Untergang der bürgerlichen Welt über Zweigs Sternstunden der Menschheit bis zu einer biblischen Erzählung von Botho Strauß spannt sich das epische Panoptikum, das den Menschen in der Krise, den Konflikt von Ich und Welt wortreich vermisst – und das Komponisten wie Mozart, Offenbach, Prokofjew und Weinberg, Georg Friedrich Haas und Beat Furrer klangreich vertonten. Sie alle sind große Meister des Erzählens. Kraft ihrer Erzählung und kraft ihrer Musik zeichnen sie Spiegelbilder unserer Seelenzustände, bringen sie das Unheimliche und die Abgründe ans Licht, extrahieren sie die Essenz allgemein menschlicher Erfahrungen. Anspielungsreich verweisen die Werke zudem auf eine Schwelle, jenen Wendepunkt, an dem eine alte Welt im Sterben liegt und das Neue noch nicht geboren ist – und damit auf die Zeitlichkeit unserer Existenz, die zwischen Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem, zwischen Erinnern, Erleben und Erwarten ausgespannt ist.

Der große jüdische Philosoph und Schriftsteller Walter Benjamin beschrieb 1940 – unter dem Eindruck des Nazihorrors und des Hitler-Stalin-Paktes – an einem solchen Umschlagpunkt den „Engel der Geschichte“, der dem Zukünftigen zutreibt, den Blick dem katastrophischen Geschehen zugewandt: „Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst.“
Auf eine solche nicht sichtbare, zukommende Zeit ist unsere Erwartung gerichtet, der wir 2024 in der Ouverture spirituelle musikalisch nachspüren, der wir furcht- oder auch hoffnungsvoll entgegenblicken. Dem „Neuen, Ungesagten, das in der Kunst sagenswert“ ist, wenden wir uns im Konzertprogramm auch mit Arnold Schönberg zu, dessen Geburtstag sich – wie jener von Hugo von Hofmannsthal, dem Dichter der Jedermann-Moralität – 2024 zum 150. Mal jährt.

Wir laden Sie herzlich ein, im kommenden Festspielsommer die Fülle des Lebens und die „Tiefe des menschlichen Herzens“ in den großen Werken der Kunst zu erkunden, mit uns „Wanderungen über die eisigen Grate des Gedankens, die Niederstiege zu den verborgensten Quellen des Unbewußten, die Aufstiege zu den schwindelnden Gipfeln des Selbsterkennens“ (Stefan Zweig) zu unternehmen. Denn ohne die „Überschreiter alles Maßes, wüßte die Menschheit weniger um ihr eingeborenes Geheimnis“.

Kristina Hammer · Markus Hinterhäuser · Lukas Crepaz
Direktorium der Salzburger Festspiele

Programm:

Offenbach LES CONTES D´HOFFMANN

Die französische Regisseurin Mariame Clément inszeniert erstmals bei den Salzburger Festspielen. Benjamin Bernheim singt die Titelrolle. Kathryn Lewek verkörpert neben seiner (Ex-)Geliebten Stella auch die weiteren Frauenfiguren, in die Hoffmann sie aufspaltet: Olympia, Antonia und Giulietta. In einer weiteren Vierfach-Rolle singt Christian Van Horn die Partien des Lindorf, des Coppélius, von Le docteur Miracle und des Dapertutto. Kate Lindsey ist La Muse bzw. Nicklausse. Marc Minkowski wird diese Opéra fantastique am Pult der Wiener Philharmoniker dirigieren. Premiere der Neuinszenierung ist am 13. August im Großen Festspielhaus. Fünf weitere Aufführungen bis 30. August.

Sergej Prokofjew DER SPIELER

Erstmalig wird Der Spieler bei den Salzburger Festspielen aufgeführt. Es ist die erste große Oper von Sergej Prokofjew, mit der zum ersten Mal ein Werk Dostojewskis für die Opernbühne adaptiert wurde. Uraufgeführt wurde sie 1929 aufgrund politischer Wirren zunächst in Brüssel in französischer Sprache. Die erste russische Produktion fand erst 1974, beinahe 20 Jahre nach dem Tod des Komponisten statt. Peter Sellars, der bei den Festspielen zuletzt Idomeneo und La clemenza di Tito inszeniert hat, führt Regie. Peixin Chen singt den General a.D., Asmik Grigorian seine Stieftochter Polina. Sean Panikkar und Violeta Urmana wirken als Hauslehrer und als Antonida Wassiljewna Tarassewitschewa, genannt Babulenka mit. Timur Zangiev gibt sein Debüt bei den Salzburger Festspielen und am Pult der Wiener Philharmoniker. Die Premiere dieser Neuinszenierung findet am 12. August in der Felsenreitschule statt. Fünf weitere Aufführungen bis 28. August.

Mieczysław Weinberg DER IDIOT

Erstmals wird diese Oper bei den Salzburger Festspielen aufgeführt. Aus Dostojewskis Roman Der Idiot (1869) hat der polnisch-sowjetische Komponist Mieczysław Weinberg Mitte der 1980er-Jahre seine siebte und letzte Oper geschaffen. Nach Henzes The Bassarids, Strauss‘ Elektra und Verdis Macbeth präsentiert der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski mit dieser Oper seine vierte Festspielinszenierung. Für das Œuvre des jungen jüdischen Komponisten aus Polen setzte sich Zeit seines Lebens Dmitri Schostakowitsch ein, dessen Andenken Weinberg seine Oper Der Idiot widmete. Ausrine Stundyte singt die Rolle der Nastassja Filippowna Baraschkowa, Bogdan Volkov und Vladislav Sulimsky sind Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin und Parfjon Semjonowitsch Rogoschin. In der Salzburger Neuproduktion hat Mirga Gražinytė-Tyla die musikalische Leitung inne. In Salzburg erarbeitet sie das Werk mit den Wiener Philharmonikern. Premiere der Neuinszenierung ist am 2. August in der Felsenreitschule. Vier weitere Aufführungen bis 23. August.

Wolfgang Amadeus Mozart DON GIOVANNI

Der Mythos von Don Juan erfuhr seit Beginn des 18. Jahrhunderts zahlreiche Neuinterpretationen. Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo Da Ponte entwickelten ihn differenziert weiter und schufen ein Werk, in dem Tragödie und Komödie Seite an Seite existieren. Regie führt Romeo Castellucci. Davide Luciano übernimmt die Titelpartie, an seiner Seite singen Nadezhda Pavlova als Donna Anna und Federica Lombardi, ehemalige Teilnehmerin des Young Singers Project 2015, als Donna Elvira. Kyle Ketelsen singt die Partie des Leporello, Dmitry Ulyanov die des Commendatore. Julian Prégardien ist Don Ottavio, Ruben Drole singt den Masetto. Anna El-Khashem debütiert als Zerlina bei den Festspielen. Teodor Currentzis leitet das Utopia Orchestra und den Utopia Choir. Die Premiere der Neueinstudierung findet am 28. Juli im Großen Festspielhaus statt. Fünf weitere Aufführungen bis 19. August.

Wolfgang Amadeus Mozart LA CLEMENZA DI TITO

Anlässlich der Krönung Leopolds II. zum König von Böhmen wurde Mozart mit diesem Werk beauftragt. Robert Carsen führt Regie, Cecilia Bartoli ist in ihrem bei den Pfingstfestspielen gegebenen szenischen Rollendebüt als Sesto zu erleben, Alexandra Marcellier und Mélissa Petit singen die Partien der Vitellia und der Servilia. Daniel Behle übernimmt die Titelrolle, Ildebrando D´Arcangelo die des Publio. Gianluca Capuano dirigiert Les Musiciens du Prince – Monaco und Il Canto di Orfeo. Premiere der Wiederaufnahme ist am 1. August im Haus für Mozart. Fünf weitere Aufführungen bis 13. August.

Ambroise Thomas HAMLET (konzertant)

Inspiriert von einer Handlung, die sich auf Hamlets Rache und ihre Auswirkungen auf Ophelia konzentriert, schrieb der französische Komponist Ambroise Thomas dieses Werk. Stéphane Degout übernimmt die Titelpartie, in weiteren Rollen: Ève-Maud Hubeaux (La Reine Gertrude) und Lisette Oropesa (Ophélie). Bertrand de Billy leitet das Mozarteumorchester Salzburg und den Philharmonia Chor Wien. Die konzertanten Aufführungen dieser Oper sind am 16. und 19. August in der Felsenreitschule zu hören.

Richard Strauss CAPRICCIO (konzertant)

Richard Strauss‘ letztes Bühnenwerk Capriccio, das auf eine Idee von Stefan Zweig zurückgeht, verhandelt das Verhältnis von Wort zu Ton. Die Handlung verquickt eine ästhetische Debatte mit der Rivalität des Dichters Olivier und des Musikers Flamand, die im Paris des Jahres 1775 um die Gräfin Madeleine werben. Es singen u.a.: Elsa Dreisig und Bo Skovhus als Gräfin und Graf, Sebastian Kohlhepp (Flamand), Konstantin Krimmel (Olivier), Mika Kares (La Roche), Ève-Maud Hubeaux (Clairon), Regula Mühlemann (Eine italienische Sängerin) und Josh Lovell (Ein italienischer Tenor). Die musikalische Leitung hat Christian Thielemann. In konzertanten Aufführungen wird Capriccio am 26., 31. Juli und 4. August im Großen Festspielhaus gezeigt.

Luigi Dallapiccola IL PRIGIONIERO und
Luigi Nono IL CANTO SOSPESO (konzertant)

Entstanden in den 1940er-Jahren, ist Dallapiccolas Kurzoper Il prigioniero in politischer wie ästhetischer Hinsicht ein bewegendes Schlüsselwerk des Widerstands gegen den Faschismus, in der zerstörte Hoffnung zur schlimmsten Folter wird. Ebenso eindrücklich und plastisch vertonte Luigi Nono die Stimmen Ermordeter in Il canto sospeso, das auf Passagen aus letzten Briefen von zum Tode verurteilten europäischen Widerstandskämpfern basiert. Zwei der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts. Die konzertante Aufführung findet am 25. Juli in der Felsenreitschule statt.

Georg Friedrich Haas KOMA (konzertant)

In Koma, 2016 in Schwetzingen uraufgeführt, beschwört Georg Friedrich Haas den Zustand einer hirntraumatisierten Patientin zwischen Leben und Tod. Michaela liegt in einem Wachkoma. Sie ist da – und zugleich unsagbar weit entfernt, gefangen in einem Zwischenreich, in dem sich Licht und Finsternis in Haas‘ suggestiver Musik – nach einem Libretto von Händl Klaus – buchstäblich verschränken. Michaela wird gesungen von Sarah Aristidou, Bas Wiegers leitet das Klangforum Wien. Die konzertante Aufführung ist am 24. Juli im Großen Saal der Stiftung Mozarteum zu hören.

Beat Furrer BEGEHREN (konzertant)

„Schatten“ lautet das erste Wort in Beat Furrers Musiktheater Begehren nach Texten von Cesare Pavese, Günter Eich, Ovid und Vergil. Und aus dem Schatten treten die Klänge hervor: Zwei Menschen streben aus der Unterwelt dem Licht des Tages zu. Sein Blick zurück ist der Wendepunkt in doppeltem Sinn: Der tragische Moment wird eingefroren, immer wieder aufs Neue durchlitten. Die konzertante Aufführung findet am 29. Juli in der Kollegienkirche statt.

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