Das Gidon Kremer Trio in München

Kein Pathos nirgends

Das Gidon Kremer Trio zu Gast in München

Von Robert Jungwirth

(München, 15. Februar 2024) Die Musikszene in München hat sich in den letzten 10-15 Jahren radikal verändert. Findige, engagierte Veranstalter gibt es kaum mehr, interessante Programm abseits eines immer stromlinienförmiger werdenden Mainstreams ebenso wenig. Dominiert wird das Angebot jenseits der subventionierten Klangkörper von einem Player, der vor allem auf bekannte Namen und bekannte Werke setzt. Omnipräsent sind die Werbeplakate mit Musikerinnen und Musikern, die wie Models präsentiert werden und umso jünger aussehen, je älter sie sind.

Immerhin gibt es noch ein paar Überzeugungstäter unter den Veranstaltern wie die Muscaè-Reihe, die von der Pianistin Anna Gourari kuratiert wird, zu der sogar Größen wie Andras Schiff oder Gidon Kremer kommen. So konnte man den 76-jährigen Geiger jetzt in der wunderbar intimen Allerheiligen-Hofkirche mit seinem Trio erleben und mit einem Programm, das bis auf Schuberts Es-Dur-Trio maximal entfernt ist vom Mainstream.

Wo sonst könnte man in München Giya Kanchelis Middelheim-Trio von 2016 hören? Das Werk schrieb der georgische Komponist als eine Art Krankheits-Studie und aus Dankbarkeit nach überstandener Krankheit und widmete sie den Ärzten des Krankenhauses von Middelheim. Was für eine schöne Geste und was für ein außergewöhnliches Stück. Zwischen wehmütiger Schönheit, schroffen Akzenten, Aufbegehren und Trotz wechseln Gidon Kremer, die Cellistin Giedre Dirvanauskaite und der Pianist Georgijs Osokins hin und her. Die drei machen das mit enormer innerer Anteilnahme und Konzentriertheit und nuancenreicher Perfektion in den mitunter ins Geräuschhafte abgleitenden differenzierten klanglichen Valeurs. Dennoch ist es ein Stück Neoromantik, das Kancheli auch hier komponiert hat. Aber das ist das Verblüffende bei Kremer und seinen Mitstreitern, dass sie es schaffen, selbst Dreiklänge hintergründig klingen zu lassen.

Nicht ganz so überzeugend allerdings ist Victor Kissines Trio „sotto voce“, das für die drei Musiker vor etwa einem Jahr entstanden ist. Das ist das Verhängnis von Widmungsstücken: die Widmungsträger fühlen sich verpflichtet, es auch aufzuführen. Der musikalische Ertrag jedoch ist bei aller beabsichtigen Tiefenwirkung mit viel bedeutungsvollen Pausen und allzu heterogenen, ja unmotivierten Klangwirkungen eher gering. Schade auch, dass das angekündigte Stück von Mieczysław Weinberg diesem Werk zum Opfer gefallen ist.

So durfte man sich immerhin auf den Schubert freuen, der nach der Pause auf dem Programm stand und den das Gidon Kremer Trio so inwendig tieflotend wie straight feinmotorisch spielte. Kein Pathos nirgends, dafür schlichte, ungekünstelte Seelentöne mit viel Mut zum Piano. Die aufgefächerte Piano-Kultur aller drei Musiker war das vielleicht verblüffendste an dieser außergewöhnlichen Interpretation. Alles andere also als Mainstream in einem vermeintlichen Mainstream-Stück…Das Publikum bejubelte Kremer und seine Mitmusiker und bekam noch eine wunderbar feinstoffliche Übermalung eines Mozarts-Adagios von Arvo Pärt geboten, das Ohren öffnete.

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