Beginn der Ligeti-Reihe bei den Salzburger Festspielen

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Musikalische Vexierspiele

Pierre-Laurent Aimard und das Minguet Quartett eröffnen die Veranstaltungsreihe mit Werken von György Ligeti zu dessen 100. Geburtstag bei den Salzburger Festspielen

Von Robert Jungwirth

(Salzburg, 28. Juli 2023) Können Metronome Musik machen? Nun, sie sind dafür gemacht, den Musikern eine genaue Vorstellung von Metren zu geben, aber Musik ist ihr gleichmäßiges Klacken eigentlich nicht, oder doch? György Ligeti, der musikalische Grenzerforscher und -überschreiter, bringt in seinem Stück Poème Symphonique für 100 Metronome von 1962 100 zum Klacken und es entsteht daraus ein Geräuschfeld, das sich permanent verändert. Die Metronome unterlaufen damit das, was Metronome eigentlich tun sollten. Es gibt keinen eindeutigen Takt mehr, sondern ein undurchdringliches Geräuschfeld aus Schlägen. Ungefähr so, als würden alle Kirchenglocken einer Stadt gleichzeitig läuten – nur eben auf der Geräuschebene. Ein faszinierendes Experiment, das unsere Wahrnehmung in die Irre führt. Und noch verblüffender ist es, dass Ligeti das in seinem Stück Continuum für Cembalo von 1968 fortsetzt. Das rasante Zirpen der gezupften Saiten klingt fast wie die 100 Metronome. Zumal wenn ein Pianist wie Florian Birsak, daraus ein atemberaubendes Spektakel macht.

Das ist schon einigermaßen kurios, wenn man die Optik dieser Darbietung mit der Akustik zusammenbringt: Ein hübsches Cembalo steht allein auf der weiß- und goldschimmernden prächtigen Bühne des Salzburger Mozarteums. Davor sitzt Birsak im dunklen Anzug und so seriös wirkend, als würde er Bachs Kunst der Fuge spielen. Und dann prasselt dieses Stück los. Auch das passt gut zu Ligeti, dessen Kompositionen nicht selten ein hintergründiger Humor zu eigen ist. Auch in Continuum überlagern sich verschiedene Motoriken, die metallischen Töne gleichen ein wenig dem Metronomklacken. Auch hier ein sich permanent veränderndes Klangfeld.

Die Richtung des von Ligeti Mitte der 60er Jahre eingeschlagenen Wegs der Arbeit an Klangflächen kann man in seinem frühen Werk Musica ricercata für Klavier von 1953 noch kaum erkennen, wenngleich es auch hier verblüffende motorische Vexierbilder gibt, die der phänomenale Pierre-Laurent Aimard mit feinfühliger Akribie und Virtuosität zu veranschaulichen versteht. Gegenläufigkeiten gibt es hier in sich für gewöhnlich ausschließenden Ausdrucksbereichen, wie Elegie und Maschinenhaftigkeit. Ein Walzer wird grotesk verzerrt. Grandios, wie Aimard das umsetzt.

Ergänzend zum Continuum spielte das Minguet Quartett Ligetis 2. Quartett ebenfalls von 1968. In ihm wirkt Ligeti als junger Wilder mit einer geradezu stürmerisch-drängerischen Expressivität, die noch von der Zweiten Wiener Schule inspiriert zu sein scheint. Eine Satzbezeichnung wie „Presto furioso, brutale, tumultuoso“ lässt bereits Heftiges erwarten – die Minguets blieben nichts schuldig.
Riesenapplaus für alle Musiker dieses begeisternden Abends.

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