Ausstellung über die Entstehung der Zwölftonmusik Schönbergs

Der Revolutionär als Traditionalist

Komposition mit 12 Tönen – Schönbergs Neuordnung der Musik. Ausstellung im Wiener Arnold Schönberg Center

Von Robert Jungwirth

(Wien, Mitte März 2023) 1923 – also vor 100 Jahren – komponierte Arnold Schönberg sein erstes vollgültiges Zwölftonwerk, das Bläserquintett op. 26. Damit betrat er ein zweites Mal in seiner Laufbahn musikalisches Neuland – nachdem er 15 Jahre zuvor schon die Tonalität hinter sich gelassen hatte. Das Wiener Arnold Schönberg-Center, das den gesamten Nachlass des Komponisten beherbergt und der Öffentlichkeit zugänglich macht, hat dem 100. Geburtstag der Zwölftonlehre jetzt eine eigene Ausstellung gewidmet.

Auch wenn Arnold Schönberg der vielleicht größte Revolutionär der Musik des 20. Jahrhunderts war, war er doch auch ein Traditionalist. Zeitlebens hat er sich mit der Musik der Vergangenheit auseinander gesetzt, schätzte etwa Brahms ganz besonders. Die Verbindung zur Tradition im Werk von Schönberg will auch die Wiener Ausstellung zu seiner Zwölftonmusik demonstrieren. Denn Schönberg empfand sich selbst als Teil dieser Tradition und das gilt auch für seine Zwölftonwerke. Als eines der ersten Zwölfonwerke komponierte er ausgerechnet eine Suite – eine musikalische Gattung aus der Barockmusik.

„Schönberg hat sich um 1910 von der Dur-Moll-Tonalität gelöst, und das hat einen wahren Schaffensrausch bei ihm ausgelöst. Es entstanden zahlreiche, unglaublich expressive Werke. Er hat aber später geäußert, dass mit dieser großen Freiheit auch ein Verlustverlust einher ging. Die traditionellen Formen, die ganz eng mit der Tonalität verbunden sind, konnten in einer freitonalen Ton-Sprache einfach nicht mehr verwendet werden, das widersprach sich. Und mit der Zwölftonmethode fand er eine Möglichkeit, einer modernen Tonsprache wieder eine neue Ordnung zu verleihen. Und man kann das sehr gut beobachten, wie es nach der Formulierung der Zwölftonmethode 1923 wieder einen Schaffensrausch gab“, so Eike Feß, der Kurator der Wiener Ausstellung.

Ausstellung »Komposition mit zwölf Tönen. Schönbergs Neuordnung der Musik« © Hertha Hurnaus

Das Wiener Schönberg Center, das den gesamten Nachlass des Komponisten beherbergt und der Öffentlichkeit und Forschenden zugänglich macht, feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. 1998 war der Nachlass nach einer internationalen Ausschreibung aus den USA, wo Schönberg 1951 gestorben ist, in die Geburtsstadt des Komponisten gekommen. Seitdem wird dort der Bestand intensiv erforscht und archiviert, wurden 24 Ausstellungen und über 1000 Konzerte, Symposien und Vorträge veranstaltet. 1500 Wissenschaftler*innen aus 31 Ländern haben hier geforscht, 150.000 originale Manuskripte und Objekte wie Fotos, Briefe und Gemälde wurden öffentlich zugänglich gemacht, z.B. auch über die hervorragende Website des Centers (www.schoenberg.at).

Die Ausstellung zeigt optisch sehr ansprechend anhand von Schaukästen mit Manuskripten, erklärenden Texten und Video-Animationen den Prozess zur Entwicklung der Zwölftonmusik. So gibt es neben Tondokumenten zum Hören auch Videoanimationen, die das Kompositionsprinzip auch Nicht-Musikwissenschaftlern veranschaulichen sollen. Dabei wird deutlich, dass Schönberg die Methode bis zu seinem Lebensende noch immer weiterentwickelte und neue Varianten erfand. Einen strikten Dogmatismus hat er mit seiner Zwölftonlehre nie vertreten – auch wenn das bis heute ein beliebtes Vorurteil ist. Auch deshalb ist die Ausstellung so bedeutend.

Natürlich verschweigt die Dokumentation nicht die Arbeiten des Komponisten Josef Matthias Hauer, der seinerseits 1920 Überlegungen zum Komponieren mit 12-Tönen angestellt hat. Schönberg kannte die Arbeiten Hauers, ging in seiner Verwendung von 12-Tonreihen aber über diesen hinaus und schuf ganz andere Gestaltungsspielräume.

Jenseits des rein Musikalischen könne man die Ausstellung auch als die Geschichte eines österreichischen Künstlers jüdischer Herkunft betrachten, der überzeugt war, mit seiner musikalischen Innovation die Tradition der deutschen Musik in die Moderne zu tragen. so Feß. Und diese Perspektive erschließe sich über die gezeigten Objekte auch ganz ohne dass man Noten lesen kann können muss.

Neben Werken Schönbergs als Partituren, klingenden Beispielen und selbstgebastelten Hilfsmittel für die Reihenbildung, die wie Rechenschieber aussehen, gibt es in der anschaulich und nachvollziehbar aufbereiteten Ausstellung auch zahlreiche Bilder von Schönberg. Schönberg, der auch Maler war, fertigte in zwei Phasen seines Lebens verstärkt Selbstbildnisse: einmal um 1908 bis 1910 herum, als er die tonale Bindung der Musik hinter sich ließ – und dann eben um 1920 herum, als er die Zwölftonmusik entwickelte. Die Selbstbildnisse diensten ihm als eine Art Selbstbefragung und Selbstvergewisserung auf dem Weg in neue musikalische Regionen.

Die Ausstellung läuft bis 23. Dezember – ein ausführlicher Katalog, der auch über den Buchhandel zu erwerben ist (edition text + kritik) kostet 27 Euro. Außerdem gibt es eine Online-Version der Ausstellung.

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