Andrea De Carlos satirischer Roman Traumtheater

Ein Kaff kommt groß raus

Andrea de Carlos neuer Roman „Traumtheater“ ist eine satirische Abrechnung mit der Politik und den Medien in Italien 

Von Robert Jungwirth

(Juni 2023) Der italienische Erfolgsautor Andrea de Carlo hat eine Posse geschrieben. Eine Posse über den Zustand seines Landes. Insbesondere den politischen. Und De Carlo hat einen Heidenspaß dabei, die Akteure gehörig durch den Kakao zu ziehen. Alle bekommen sie ihr Fett weg: Aufgeblasene Provinzpolitiker, die für ein bisschen mediale Aufmerksamkeit ihre Großmütter verkaufen würden, die noch viel aufgeblaseneren Anführer irgendwelcher pseudo-nationalistischer Parteien, die noch ganz andere Sachen anstellen, um in die Medien zu kommen und natürlich die Medien selbst, die mit ihrer unreflektierten Daueraufgeregtheit willkommene und willfährige Durchlauferhitzer für die politischen Selbstdarsteller sind. Verständlich, dass einem da als reflektierendem Zeitgenossen der Hut hoch gehen kann. Umso schöner, wenn daraus ein tolles Buch entsteht.

Die wunderbar haarsträubende Geschichte von der Entdeckung eines antiken Theaters in einem unbekannten Kaff in Norditalien, in dem danach der Teufel los ist, sorgt für jede Menge Pointen und unerwartete Wendungen, die der Autor in perfekter Balance hält zwischen Farce und Realsatire. De Carlo ist ein mit allen Wassern erzählerischer Feinarbeit gewaschener Autor, und so schafft er es problemlos, den karikaturistischen Roman mit so viel genauer Beobachtung und Charakterisierung auszustatten, dass es nie platt wirkt.

Alle in dem fiktiven Ort Cosmarate stehen Kopf und ereifern sich auf maximal entlarvende Weise darüber, wem das „Kulturerbe von nationalem Rang“ denn nun gehören soll: dem Kaff, der Gemeinde, dem Land – oder dem eigentümlichen Marchese Guiscardo Guidarini, auf dessen Grund das Theater entdeckt und ausgegraben worden war – und zwar von ihm selbst.

Dabei wird der Bürgermeister des Kaffs Massimo Bozzolato zum hemmungslos auftrumpfenden Querschläger. Manches gerät erzählerisch vielleicht ein wenig zu ausführlich, aber so entsteht aus dem Pandämonium ein wunderbar skurriles Wimmelbild, dem man sich als Leser nicht entziehen kann. Und alles ist schließlich gerade so viel überzeichnet, dass man darüber lachen kann, ohne dabei zu vergessen, dass es ziemlich genau so zugeht in unserer Gegenwart – ob in Italien oder anderswo. Eine herrliche Posse – ideal zur Lektüre während des Sommerurlaubs in unserem geliebten Italien.
(Nur das Coverbild ist etwas seltsam – es hat nichts mit dem Inhalt des Buchs zu tun…)

Andrea de Carlo: Traumtheater. Diogenes Verlag, 464 Seiten, 25 €

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